Wie wir in anderen Belangen bereits feststellen konnten, kann unsere Wahrnehmung von Zahlen unser Abbild der Realität und damit auch den Ausgang unserer Entscheidungsprozesse maßgeblich mitbestimmen. Doch nicht nur unsere Annahme von Zahlen an sich ist hier problematisch, sondern bereits die Rahmenbedingungen in denen uns diese Zahlen präsentiert werden. Der sogenannte Framing-Effekt beschreibt hierbei, dass sich unsere Entscheidungen auf Grundlage von Zahlen verändern können, wenn uns die gleichen Informationen lediglich anders präsentiert werden.
Gehen wir einmal von der folgenden Situation aus (nach Tversky & Kahnemann, 1981): Deutschland bereitet sich auf den Ausbrauch einer lebensgefährlichen asiatischen Krankheit vor, in dessen Folge 600 Menschen sterben werden. Um die Bevölkerung vor den negativen Folgen der Krankheit zu schützen, schlägt der wissenschaftliche Beirat zwei Alternative Interventionsmethoden vor. Stellen Sie sich nun vor, dass Sie in Bezug auf die Ausgangssituation sich für eine der zwei Handlungsalternativen mit dem folgenden Charakteristika entscheiden müssten:
- Die erste Interventionsmethode hat zur Folge, dass 200 Menschen gerettet werden können.
- Im Rahmen der der zweiten Handlungsalternative liegt eine Wahrscheinlichkeit von 33% vor, nach der 600 Menschen gerettet werden können während mit einer Wahrscheinlichkeit von 66% keine Menschen gerettet werden können
Obwohl beide Handlungsmöglichkeiten den gleichen Erwartungswert haben, d.h. gleich viele Menschen leben/sterben, entschied sich die Mehrheit innerhalb einer Studie von Tversky und Kahnemann von 72% der Teilnehmer für die erste Handlungsmöglichkeit. Alleine die Änderungen der Präsentation der Zahlen führte hier also zu der Folge, dass sich die Menschen für eine bestimmte Alternative entschieden. Dieser als Framing-Effekt beschriebene psychologische Verzerrungsmechanismus basiert auf der Theorie, dass Menschen ihre Entscheidungen durch minimalen kognitiven Aufwand auswählen und dass allein die Präsentation in einem anderen Entscheidungsrahmen die gewählte Handlungsalternative verändern kann (Gonzalez et al., 2004).
Natürlich lassen sich derartige Entscheidungssituationen unter Verwendung von Zahlen auch auf ganz normale Alltagssituationen übertragen, wie etwa Produktauswahl im Supermarkt (Levin & Gaeth, 1988). Werden etwa Fleischprodukte wahlweise mit “25% Fettanteil” oder “75% Mageranteil” angeboten, favorisieren Kunden mit großer Mehrheit das Produkt mit “75% Mageranteil”, obwohl das Ergebnis bzw. das Fleisch letztendlich das Gleiche ist.
Zu erwähnen ist hier allerdings, dass dieser Effekt nicht nur durch die verzerrte Präsentation von Zahlen zustande kommen kann, sondern auch durch marginale sprachliche Änderungen. Für das obenstehende Beispiel würde dies bedeuten, dass etwa die erste Handlungsalternative in einem sogenannten negativen Framing von der Formulierung her in “…, dass 400 Menschen sterben werden” abgeändert wird. Allein durch diese geringe Veränderung lässt sich nun nachweisen, dass sich Menschen mit großer Mehrheit für die zweite Handlungsalternative entscheiden, obwohl sich am Ergebnis nichts verändert hat.
Besonders brisant und wichtig ist das Bewusstsein dieser psychologischen Verzerrung, wenn man sich bewusst macht, dass sogar die öffentliche Meinung sowie politische Einstellungen durch die unterschiedliche Präsentation von Zahlen und Informationen von hoher Stelle beeinflusst werden kann (Nelson, Oxley & Clawson, 1997). Der gut fundierte Framing-Effekt ist neben der Ankerheuristik somit nur eines der vielen Beispiele für psychologische Fallstricke, durch welche wir im Alltag unter der Nutzung von Zahlen an der Nase herum geführt werden.
Literatur:
Gonzalez, C., Dana, J., Koshino, H., & Just, M. (2005). The framing effect and risky decisions: Examining cognitive functions with fMRI. Journal of economic psychology, 26(1), 1-20.
Levin, I. P., & Gaeth, G. J. (1988). How consumers are affected by the framing of attribute information before and after consuming the product. Journal of consumer research, 15(3), 374-378.
Nelson, T. E., Oxley, Z. M., & Clawson, R. A. (1997). Toward a psychology of framing effects. Political behavior, 19(3), 221-246.
Tversky, A., & Kahneman, D. (1981). The framing of decisions and the psychology of choice. Science, 211(4481), 453-458.