Wir haben gerätselt, was Menschen in ihren ersten Strichlisten markiert haben könnten. Vermutlich waren es Mengen von Tieren, Tagen oder ähnlichem. Naheliegender wäre jedoch, dass es einen erweiterten Bedarf gab, eine Anzahl sicher festzuhalten und festzustellen, als sich erste Wirtschaftssysteme begannen entwickeln.So finden Archäologen im heutigen Irak, in dem Landstrich, den wir historisch als “Messopotanien” oder “Zweistrom-Land” bezeichnen, häufiger Artefakte, die mit großer Wahrscheinlichkeit zum Zählen verwendet wurden. Diese Zahlsteine waren ganz offenbar notwendig, weil es etwas für uns selbstverständliches noch nicht gab: Die Zählreihe, die heute schon Dreijährige munter verwenden: “Eins, zwei, drei,…”
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Zählsteine von den Menschen dazu genutzt wurden, (kleine) Mengen genau zu bestimmen. Ganz offenbar hatte sich allerdings ihre Sprache noch nicht so weit entwickelt, sodass dieses Manko durch die Zählsteine überwunden wurde. Da man also über Zahlen weder sprechen noch schreiben konnte, war eine alternative Repräsentation gefordert: Stellen wir uns vor, es sollte ein Herde Schafe von einem Ort zum anderen überführt werden. Um zu kontrollieren, dass die Herde vollständig das Ziel erreichte, verwendete man Zählsteine. Damit man sicher gehen konnte, dass mit einem Tier nicht auch ein Stein “verloren” ging, wurden die Steine in eine Urne eingebacken, die als Siegel diente und nur am Zielort geöffnet wurde.
Dies ist unter anderem ein Beleg dafür, dass Zahlen schon in ihrem Ursprung dafür verwendet wurden, die Umwelt zu beherrschen und zu kontrollieren. Vieles spricht dafür, dass es auch hier neben der Repräsentation “eins” auch sehr bald Vielfach verwendet wurden wie “10er” oder “5er”, so wie wir das auch heute noch vom Risiko-Spiel her kennen, wenn wir unterschiedliche Armeestärken verwenden. So entwickelte sich die Zählreihe sprachlich eben nicht der Reihe nach, sondern eher so: Eins, zwei, fünf!
Musste man “vier” Ausdrücken sagte man “eins weniger als fünf”. Eine Eigenart, die die römischen Zahlen bei sich behalten haben. Aber auch unsere deutsche Zählreihe hat solche Überreste längst vergangener Tage gespeichert wie fossile Abdrücke in einer Marmorbank: Wenn wir “elf” sagen , so rührt dies von “elif”, was indogermanisch ein verkürzter Ausdruck für “eins drüber” ist. Mit “elf” sagen daher auch wir “zehn und eins mehr”.
Mennniger, Karl: Zahlwort und Ziffer: Eine Kulturgeschichte der Zahl, Vandenhoeck & Rupprecht, Göttingen 1958
Heike Wiese, Humboldt-Universität Berlin & Yale University: The Co-Evolution of Number Concepts and Counting Words, 2007